Autor: Frenzel, Franz Christoph, Ehrlich, Carl Gotthilf
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher vor 1871
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
Konfession (WdK): gemischt konfessionel
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französischen Kaiserin sei, und erklärte dem Eidam den
Krieg. Dafür segnen ihn seine Zeitgenossen, und es wird
ihn die Nachwelt segnen. Der Bund war nun, allein in
Böhmen, mit 150,000 Oestreichern verstärkt. Nach einigen
Wochen trat auch Baiern dazu, und der Kronprinz
Schwedens, ein edler Franzose, ehemals dcrwaffengc-
fährte Napoleons, hvchcrfahren im Kriegswerke, befeh-
ligte eine Schaar Schweden, Preußen und Russen im nörd-
lichen Deutschland, besonders um Berlin zu decken. Der
östreichische Feldmarschall Fürst von Schwarzenberg
befehligte das Hauptheer in Böhmen, das aus Oestreichern,
Russen und Preußen zusammengesetzt war, und der Preu-
ßische Eeueral Blücher, ein Greis an Jahren und Erfah-
rung, ein Iüngliug an Kraft und Leben, hoch geehrt und
geliebt von allen Kriegern, führte das Schlesische Heer,
welches aus Preußen und, Russen zusammengesetzt war.
Der erste seines Generalstabes war der einsichtige Ge-
neral Gneisen au. Schwarzenberg, Blücher und
Johann, Schwedens Kronprinz, waren die Führer der
Buudi'öarmee, welche nicht bloß an Muth, sondern auch
an Zahl jetzt die feindliche übertraf.
Der Waffenstillstand ging nach 9 Wochen den 17°.
August zu Ende.
9. Die Treffen bei Groß-Beeren, an der Katz-
bach, bei Dresden, Eulm und Dennewitz.
Die Völkerschlacht bei Leipzig.
Es sollte nochmals geschlagen werden; das wollten der
Starrsinn und der Stolz des französischen Herrschers. Er
gedachte auf das Schlesische Heer mit der Hauptmacht los-
zufahren und cs zu zerstreuen, während Oudinot, eitler
seiner Marschälle, Berlin wegnehmen sollte. Schon stand
der letzte bei Groß-Beeren, 2 Stunden von Berlin,
und» meinte, am nächsten Morgen in die Hauptstadt ein-
zuziehen, als Bülow, ein Preußischer General, ihn äu-
gn ss. Es strömt der Regen, die Gewehre brennen nicht
ab, aber das Geschütz donnert und die Preußischen Land-
wehrmänner kehren das Gewehr um und schlagen mit der
Kolbe aus die feindlichen Schädel. Da zerstreut sich der
Feind,
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Feldmarschall_Fürst_von_Schwarzenberg Johann Johann Muth August
Extrahierte Ortsnamen: Schwedens Napoleons Schweden Deutschland Berlin Schwarzenberg Schwedens Dresden Leipzig Berlin Berlin
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396
doch nicht vordringen. Da führte Preußen skönig, der
in der Nähe war, Hilfe herbei, und nun wurden die Fran-
zosen gedrängt. Sie sandten nach Rettung, und sahen
sehnsuchtsvoll nach den Höhen, von denen sie hcrabfteigen
sollte. Bald zeigten sich auch Männer und Rosse auf den
Bergen, aber es war der Preußische General Kleist, der
ihnen in Rücken siel. Jetzt verzweifelten die Franzosen
und nur wenige hauten sich durch, zwei Drittel aber blie-
den todt oder gefangen zurück. Auch Vandamme wurde
gefangen. Als das Napoleon hörte,zürnte er sehr und
sagte: „Einem geschlagenen Feinde muß man eine goldne
Brücke bauen, oder einen eisernen Baum vorlegen.' Aber
Vandamme war zu dem Letzter» nicht stark genug, und
ist wegen seiner Unklugheit geschlagen."
Napoleon hatte Berlin noch nicht vergessen, und was
Oudinot nicht gekonnt hatte, sollte der kühne Marschall
St cv versuchen. Er stieß mit seinen 80,006 Mann bei
D e n n ewitz auf Bülow' s Schaar, die nur ein Viertel
so groß war. Da galt es, nicht die Menge zu achten und
tapfer dazustehen gegen die Uebermacht. In Sturmschritt
und mit dem Bajonette in der kräftigen Faust drangen die
Preußen auf den Feind ein und achteten dessen Feuer nicht.
Darüber wurden die Franzosen wüthend und durchbohr-
ten selbst schon hingestreckte Preußen, die mit dem eisernen
Kreuze geschmückt waren, mit mehrern Stichen. Als am
Abend der Kronprinz von Schweden herbeieilte, wurde
das Werk vollendet und die Schlacht in einem Augenblicke
entschieden. Ein Viertel der feindlichen Armee wurde ge-
fangen oder getödtet, und die Uebrigen — eilten größten-
teils stracks nach der Heimath über den Rhein, so daß
Ney schrieb: „Ich bin nicht mehr Herr meines Heers; es
versaget mir den Gehorsam und hat sich selbst aufgelöset."
Jetzt konnte Napoleon einsehen, daß er sich in Sach-
sen nicht mehr zu halten vermöge; denn auch an Lebensmit-
teln fing es an, ihm zu mangeln. Aber sein Herz war ver-
härtet und sein Auge verblendet. Er zog hin und her; von
Dresden bald auf die Straße nach Böhmen, bald auf die
Straße nach Schlesien. Ueberall umschwebten ihn seine
Gegner, die ihm den Rückzug nach dem Rhein abzuschnei-
den drohten. Endlich verließ er Dresden, zog sich aber
nur
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"w 401 tp
daraus zu verdrängen. Da stellt sich Blücher selbst an
die Spitze der Stürmenden und ruft ihnen zu: Ihr nennt
mich den Marschall Vorwärts, nun will ich euch
zeigen, was Vorwärts heißt! — und damit treibt er
sein Pferd mitten in des Geschützes Donner, die Seinigcn
im Sturmschritt ihm nach, das Dorf wird erobert, die
Schlacht gewonnen. Napoleon zieht sich zurück.
Der Bund bot ihm den Frieden an. Die Engländer
hatten Spanien den Franzosen fast ganz entwunden, wa-
ren über die Pyrenäen gestiegen und drangen auf fran-
zösischem Gebiete in Süden vor ^ das große Heer der Ver-
bündeten, auf Holland und die Schweiz mit den beiden
Enden ihres Zuges sich stützend, drangen in einem Dreiecke
vor, ganz Europa stand gegen ihn, und dennoch war
er in seinem Stolze verblendet und zögerte mit seinen Er-
klärungen, weil er immer noch hoffte, eine Blöße der Ver-
bündeten zu entdecken, sie rasch zu benutzen, und als Sieger
die Gesetze zum Frieden vorzuschreiben. Wirklich, er sollte
noch einmal gewinnen, um dann Alles zu verlieren.
Die Verbündeten nemlich hielten Napoleons Macht
nicht für sehr stark, die Wege waren grundlos, der Unterhalt
für die vereinigten Heere wurde schwierig, und — B lsi-
cher zog mit der Schlesischen Armee deö einen Weges
voran, das große Heer ging eines andern Weges. Jetzt
stürzte sich Napoleon mit seiner Macht auf Blücher los.
Er hatte sich verstärkt, indem er 20,000 Mann ans Spa-
nien zu Wagen hatte herbeieilen lassen. Blüchers
Vortrapp wurde überfallen, viele starben den Heldentod,
mehrere wurden gefangen; als aber die Schlesische Hauptar-
mee selbst angefallen wurde, da stellte Blücher der über-
legenen Zahl, besonders der stärkern Reiterei, kalte Be-
sonnenheit und hohen Muth entgegen, die Regimenter bil-
deten sich in Vierecke gegen die Reiterei, und die Ordnung
wurde in der ganzen Stellung behauptet. Man zog sich
unter beständigem Kampfe zurück. Napoleon aber jubelte
laut: Ich habe die Hauptstadt meines Reichs gerettet!
und als die Männer, welche zu einem Friedensschluß
versammelt waren, in ihn drangen, so wollte er von kei-
nen Abtretmrgen hören und meinte: Ich bin jetzt Wie»
näher, als die Verbündeten Paris.
C c ?lber
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Extrahierte Personennamen: Blücher Marschall_Vorwärts Napoleon Napoleons Napoleon Blüchers
Vortrapp Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Spanien Holland Europa Paris
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403
»'io
und schon am ersten April erklärte der Bund, weder mft
Napoleon, noch mit einem Gliede seiner Familie zu un-
terhandeln, und forderte die Franzosen auf, sich eine andre
Regierung zu wählen. Die Begebenheiten folgten rasch
aufeinander. Schon am folgenden Tage faßte der fran-
zösische Senat im Namen von ganz Frankreich den Be-
schluß der Absetzung Napoleons.
Dieser hatte sich, wie vorhin gesagt, absichtlich von P st»
ris wieder entfernt, und stand in dem Wahne, das Brur-
dcshccr folge ihm nach. Da er aber immer und immer nur
Reiter hinter sich erblickte und kein Fußvolk der Gegner,
so griff er sie an. Die Russische Reiterei zog sich zurück,
und er sahe nun wohl ein, daß die große Macht seiner Geg-
ner anderswo sein müsse. Seine bange Ahnung wurde
bald zur Gewißheit, indem er am 29. einen Eilboten aus
Paris erhielt. Er wurde wie vom Donner gerührt, denn
er sahe, daß jetzt wahrscheinlich vor Paris der Streit geen-
det werden würde. In geringer Begleitung jagte er des
Weges nach Paris und vernahm in weiter Ferne den
Donner der Schlacht vor Paris. —Zorn, Wuth und Nie-
dergeschlagenheit wechselten in seiner Seele; bald bot er
sein Heer auf, ihm wieder zu seinem Reiche zu helfen und
versprach ihm die Plünderung der Stadt; bald sendete
er an die Monarchen, welche jetzt in Paris herrschten, und
bat unter jeder Bedingung um Frieden. Aber die Anhäng-
lichkeit des Heeres wankte, und die fremden Fürsten hörten
nicht auf seine Anträge. Endlich machten ihm zwei seiner
Marschälle seine Absetzung bekannt und erklärten ihm, daß
er auf seine Soldaten nicht mehr rechnen könne. Sein
Trotz war plötzlich gebrochen: es war fürchterlich, von der
größten menschlichen Höhe hinabgerissen zu werden, und
ein Strom von Thränen stürzte über seine Wangen; auf
den Schlachtfeldern, wo Tausende seinem Ehrgeiz geopfert
waren, und Tausende von Verwundeten den Eroberer an-
klagten — war keine Thräne bei ihm geflossen. — Er sam-
melte bald seinen Geist und versprach zu Gunsten seines
Sohnes abzudanken; aber der Senat rief Ludwig den
18. aus dem alten Königshause zum Könige von Frank,
reich aus: und Napoleon wurde nach Elba, einer klei-
nen Insel bei Italien, verwiesen. Dort sollte er als Her-
, C c 2 zog
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Napoleons Paris Paris Paris Paris Elba Italien
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W : 1
411 —
Throne stoßen würden. Denn das ist das größte Verder-
den der Hinterlistigen, daß sie von allen andern nichts
als Hinterlist und Trug erwarten, und keinen Glauben
an Redlichkeit fassen können. Dazu kam noch der Ehr-
geiz, denn er gedachte ganz Italien aufzuwiegeln und
unter seine Herrschaft zu bringen.
Er rückte also aus seinem Königreiche Neapel nach Mit-
tel- und Obcritalien vor, als Bonaparte in Paris ange-
langt war, besetzte den Kirchenstaat, versagte einige kleine
Fürsten in Oberitalien aus ihren Residenzen und griff die
Ocstreicher an, welchen ein großer Theil von Obcritalien
zu Theil geworden war. Dabei ließ er eine Aufforderung
an alle Italiener ergehen, sich nn't ihm zu vereinen, damit
ganz Italien wieder Ein Volk würde, wie es zu der alten
Römer Zeiten gewesen wäre. Aber man achtete seiner
gleißenden Rede nicht und hing sich nicht an den Gaukler.
Die Oestreichcr waren auf seinen Abfall bereitet und stär-
ker, als ers gemeint hatte. Er wurde in sein Land zu-
rückgedrängt und bat um Frieden; denn er habe cs mit
seinem Vordringen, wie er sagte, nicht so böse gemeint,
und man habe ihn aus Irrthum für einen Feind gehalten.
Doch man hatte vorher nicht auf seine Prahlereien geachtet,
womit er seine Macht um das Doppelte vergrößert hatte;
man hörte setzt auch nicht auf seine Deruuth und ver-
folgte ihn kräftig. Seine Armee wurde, wie Spreu vom
Winde, zerstreut, und er floh zu Schiffe nach Frankreich,
um Napoleon die Nachricht zu hinterbringen, daß es mit
dem bösen Plane aus sei, dem neuen Kaiser von Italien
aus kräftiglich beizustehcn. Neapel bekam seinen vorigen
Herrscher, den König von Sicilie», wieder.
Im Mai 1815 war dieser Kampf beendigt; im Juni
desselben Jahrs wurde der größere entschieden.
In den Niederlanden standen die Engländer, Holländer,
Hanovcrancr und Braunschwcigcr unter Wellington, ei-
nem englischen Helden, und viele Preußen unter dem hoch-
verehrten Fürst Blücher. Gegen Süden sammelte der öst-
reichische Feldmarschall Schwarzenberg seine Schaarcn, und
wenn die Russen am Mittclrhein anlangten, wollte man
Frankreich von der ganzen Morgenseite angreifen. Doch
Napoleon wartete diesen gefährlichen Zeitpunkt nicht ab
und
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Feldmarschall_Schwarzenberg Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Italien Neapel Paris Oberitalien Italien Frankreich Italien Neapel Wellington Frankreich
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412
rmd gedachte rasch die Gegner in den N i e d e r l a n d e n zu
schlagen; dann hätte man das reiche belgische Land ge-
wonnen, und Geld und Menschen würden ihm zuströmen.
Darauf wollte er die Ocstrcicher verdrängen und den
Russen in Deutschland entgegen eilen.
Am 14. Juni sprach er zu seinem Heere: „Soldaten, heute
ist der Jahrestag von * *)Mareng o und **) Fried land,
der zweiinal das Schicksal von Europa entschied. Damals,
wie öfters, waren wir zu großmüthig. Wir ließen die
Fürsten auf ihren Thronen, die setzt die Unabhängigkeit
Frankreichs bedrohen. Die Unsinnigen! Sie und wir, sind
wir nicht noch die Nemlichcn? Wenn sie in Frankreich
einrücken, so sollen sie in Frankreich ihr Grab sindcn!"
Solche Zuversicht hatte sich in ihm wiedergefunden, als
er sein Heer um sich versammelt hatte. Es war in der
That das schönste, welches Frankreich je aufgestellt hatte.
150 tausend Krieger, aufs beste gerüstet, mit 400 Geschü-
tzen versehen, was ließ sich mit solcher Zahl auf Einer Stelle
nicht ausrichten! Was dieses Heer am furchtbarsten mach-
te, war die Entschlossenheit zu siegen oder zu sterben. Die
Garde, welche wieder auf 00 tausend angewachsen war,
hatte ihre Adler mit Trauerflor umhüllt, bis ein großer
Sieg sie wieder in ihrem Glänze zu zeigen erlauben würde.
Links vor sich hatte N a p o l e o n den Lord Wellington
mit einer halb so starken Macht, als die seinige war; rechts
von ihm stand Blücher, dessen Heer um Ein Drittel schwächer
war, als das Französische. Aber die Hausen seiner Geg-
ner waren sehr weit auseinander gelegt, des Unterhalts we-
gen und um eine lange Streife zu besetzen, weil »imi nicht
wußte, wo er durchbrechen würde. Napoleon griff am 15.
eine Abtheilung der Preußen an, die sich freilich mit Ver-
lust, aber doch in guter Ordnung zurückzog. Den 16.
nahm Blücher, der von den Seinen nur 80,000 hatte zu-
sammenziehen können, bei Ligny die Schlacht mit Na-
poleon au, in der Hoffnung, daß noch ein Preußischer Ar-
meehaufen während der Schlacht zu ihm stoßen, und die
Engländer ihm helfen würden. Aber die erwartete Hilfe
blieb aus, weil Bulow, der Führer der erwarteten Preu-
__________________ ßen.
*) Niederlage deroestreicher. **) Niederlage der Preußen u. Russen.
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Autor: Frenzel, Franz Christoph, Ehrlich, Carl Gotthilf
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415 T*’*
lichen Flügels angekommen waren. Doch cs war keine
Zeit zu verlieren, und die prcuß. Feldherrn beschlossen un-
gesäumt den Angriff mit dem, was zur Hand war. So
brach der Preuße aus dem Walde hervor; aber der Feind
verlor seine Besonnenheit nicht, sondern stellte ihm seinen
Rückhalt entgegen, und es entstand ein mörderischer Kampf.
Das Gefecht stand lange Zeit, und mit gleicher Heftigkeit
wurde der Kampf gegen die Engländer fortgesetzt.
Ungefähr um Uhr Abends traf die Nachricht ein, daß
ein ganzer preuß. Heereshaufen auf seinem Zuge von den
Franzosen hart bedrängt würde; doch der Fürst Blücher
ließ sich nicht dadurch erschüttern; vor ihm lag die Ent-
scheidung, und nicht anders wo, und wenn hier der
Sieg gewonnen wurde, so ließ sich jeder Nachtheil ver-
schmerzen. Darum eilte er unaufhaltsam zur Schlacht.
Es war Ix Uhr und noch stand die Schlacht. Fast zwei
Heereshanfcn waren angekommen, und die Franzosen foch-
ten wie Verzweifelte; allmählich bemerkte man jedoch einige
Unsicherheit in ihren Bewegungen. Jetzt erschienen einige
Abtheilungen von einem dritten Heereshaufen der Preußen
an der rechten Seite des Feindes, so daß dessen rechter
Flügel von drei Seiten bedrängt wurde. Als Wellington
im Rücken des Feindes die ersten Kanonen losblitzen sahe,
rief er ans: Gott Vob, daö ist der alte Blücher! und als
jetzt die Feinde im Rücken und von der Seite gedrängt
wurden, da setzte sich die gcknze englische Schlachtlinie i'n
Bewegung und drang in das Herz des Feindes.
Emen besonders schönen Anblick gewährte die Angriffs-
seite des preuß. Heers. Es waren Anhöhen über Anhöhen,
so daß mehrere Stufen Geschützeöfener über einander entwi-
ckelt werden konnten, zwischen denen die Truppen briga-
denweise in der schönsten Ordnung hinabstiegen, während
aus dem auf der Höhe hinten liegenden Walde sich immer
neue Massen entfalteten. Mit dem Rückzüge des Feindes
ging es noch so lange erträglich, bis ein Dorf, das die
Garden vertheidigten, mit Sturm genommen wurde. Nun
wurde aus dem Rückzüge eine Flucht, die immer wilder
und wilder wurde, und alles mit sich fortriß. Es war 9z
Uhr. Der Feldmarschall Blücher versammelte die höher»
Officiere und befahl, daß der letzte Hauch von Mensch
' und
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Autor: Frenzel, Franz Christoph, Ehrlich, Carl Gotthilf
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Tt?
416
und Pferd zur Verfolgung aufgeboten werden sollte. Da
gerieth das französische Heer in etite völlige Auflösung; die
Straße sah wie ein großer Schiffbruch aus; sie war mit
Geschützen, Pulvcvwagen, Gewehren und andern Trüm-
mern, wie besäet. Ans mehr als 9 Nachtlagern wurden
die Franzosen aufgejagt, welche sich einige Ruhe hatten
verschaffen wollen und solche Störung nicht erwartet hat-
ten. Der ganze Marsch war ein stetes Aufstöbern des
Feindes in den Dörfern und Getreidefeldern. Der Mond
schien hell und begünstigte ungemein die Verfolgung.
Man gelangte vor das Städtchen G e n a p p e. N a p o-
leon war darin, und die Seinen wollten das Städtchen
vertheidigen; aber einige Kanonenschüsse, ein Hurrah, und
die wradt war genommen. Die Wagen Napoleons und
seiner Großen hatten sich wegen der Eile in einander ver-
schlungen; die Preußen kamen heran, und Napoleon mußte
so eilig ans dem Wagen springen, daß er seinen Degen
zurückließ und seinen Hut vom Kopfe verlor. Er selbst
aber entkam unter dem Schutze der Nacht. Eine Menge
Juwelen, Silbergeschirr und andere Kostbarkeiten erbeute-
ten hier die Soldaten, und fanden auch in dem prächtigen
Wagen Napoleons den schwarzen Preuß. Adlerorden,
welchen er früher von Preußen erhalten hatte, als er noch
furchtbar unter den Regenten dastand. Den Orden sende-
ten sie als Zeugen der nnverdroßnen Eile, womit sie den
Flüchtigen verfolgt hatten, an ihren König, welcher damit
den General Gneisenan beehrte. Dieser Held befehligte
die Preußen, welche so rasch den Feind in dieser Nacht
verfolgt hatten.
Bis zum Anbruche des Taaes ging cs rastlos fort. Im
wildesten Durcheinander rettete sich kaum der dritte Theil
als Nest der ganzen Armee, und noch dazu größtentheils
unbewaffnet. 300 Kanonen und 500 Pulvcrwagen fielen
in die Hände der Verbündeten. Selten ist ein so vollkom-
mener Sieg erfochten worden, und beispiellos war es, daß
eine Armee den zweiten Tag nach einer verlornen Schlacht
einen solchen Kampf unternahm und so glücklich bestand.
Im Mittelpunkte der franz. Stellung lag eine Meierei
La belle allancc *) (Schönbuttd) genannt. Auf dieser Stel-
le
Vraé: Ln Kess'"illiangs.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T2: [Schiff Stadt Tag Nacht Sturm Feind Ufer Meer Land Feuer]]
Extrahierte Personennamen: Napoleons Napoleon Napoleons Gneisenan le
Vraé
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r
le befand sich Napoleon wahrend der Schlacht, und von
da aus gab er seine Befehle. Auf diese Höhe war der
Marsch aller Preußen gerichtet, und da entschied sich seine
Niederlage. Durch eine anmuthige Gunst des Schicksals
trafen au diesem Orte mit dem so bedeutenden Namen der
Fürst Blücher und der Lord Wellington in der Dunkelheit
zusammen und begrüßten sich gegenseitig als Sieger, und
zum Andenken an den schönen Bund, durch den der stolze
Feind geschlagen war, befahl Fürst Blücher, daß diese
Schlacht die Schlacht von del le a I liti n co heißen solle.
Die Engländer nennen sie die Schlacht von Waterloo.
Wie sicher Napoleon auf die Niederlage der Engländer
rechnete, und wie wenig er an einen kräftigen Antheil der
Preußen ain 18. dachte, beweisen nicht blos sein Sieges-
bote nach Paris und der Umstand, daß er sein Gepäck so
nahe dem Heere gestellt hatte, sondern es leuchtete auch
aus seinem Aufrufe an die Belgier hervor, welchen er
schon im Voraus mit der Ortsuuterschrift: Lacken versehen
hatte. Lacken ist ein großes Schloß bei Brüssel, worin
der falsche Rechner nach errungenem Siege zu übernach-
ten gemeint hatte. Dieser Aufruf sprach von den großen
Siegen des Kaisers Napoleon. Ein ganzer Ballen, mit
diesem Aufrufe bedruckt, war unter der Beute.
Auf wunderbare Art war der Fürst Blücher am 16. Juni
gerettet, und nur eine höhere Hand schützte am 18. den Held
Wellington, daß er nicht sank, wie viele seiner Freunde an
seiner Seite. Beide erkannten cs wohl, daß der glückliche
Ausgang nächst Gott dem schönen Geiste zu verdanken war,
welcher die tapfern Schaarcn des Bundes beseelte. Wel-
lington schrieb nach England: Nicht mir kommt die Ehre
des Sieges zu, sondern der körperlichen Kraft und dem
standhaften Muthe der Krieger; und Fürst Blücher rief
Tages darauf seinem Heere zil: Ihr habt große Dinge ge-
than, Ihr meine braven und hochgeachteten Waffengefähr-
ten! Zwei Schlachten habt Ihr in drei Tagen geliefert.
Die eine war unglücklich, und dennoch war Euer Muth
nicht gebeugt. f Alle großen Feldherren haben von jeher ge-
meint, man könne mit einem geschlagenen Heere nicht so-
gleich eine Schlacht wieder wagen. Ihr habt den Ungrund
dieser Meinung dargcthan, und gezeigt, daß tapfere Krieger
wol können überwunden, aber ihr Muth nicht könne ge-
brochen werden. D d 13
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T21: [Napoleon Bluch Heer General Preußen Franzose Schlacht Armee Mann Wellington], T151: [König Volk Kaiser Reich Fürst Land Gott Wilhelm Deutschland Frieden], T103: [England Krieg Frankreich Spanien Franzose Engländer Flotte Jahr Holland Frieden], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
Extrahierte Personennamen: Napoleon Fürst_Blücher Napoleon Napoleon Euer_Muth Muth
Extrahierte Ortsnamen: Lord_Wellington Paris Wellington England
Autor: Frenzel, Franz Christoph, Ehrlich, Carl Gotthilf
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher vor 1871
Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrbuch
Konfession (WdK): gemischt konfessionel
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13. Bonaparte nach Helena geführt. Zwei-
ter Friede zu Paris. 1815.
Sprachlos und tief gebeugt eilte Bonaparte nach Paris,
welches von seinen Siegen träumte, und bei dem Erschei-
nen des Flüchtlings schrecklich erwachte. Er legte seine
Kaiserwürde nochmals nieder, doch diesmal zu Gunsten sei-
nes Sohnes, welcher in Wien war, und es zogen Abgeord-
nete aus Paris den siegreichen Gegnern entgegen, um sie
zu bereden, doch wieder umzukehren, da Napoleon nicht
mehr Regent sein wolle, und das Ziel ihrer Anstrengungen
nun ganz erreicht wäre. Aber die Feldherren achteten ih-
rer Reden nicht, und standen elf Tage nach der Schlacht
vor Paris. Drinnen war ein großes Getümmel; einige
wollten sich ergeben, andre sich vertheidigen: einige woll-
ten Ludwig den 18. zurückholen, andre riesen Napo^orr
den 2. zum neuen Kaiser ans. Napoleon war nach der
Küste gezogen, um den Ausgang abzuwarten, und wenn
alles verloren zu gehen drohe, nach Amerika zu entwischen.
Aber seine kriegerischen Generäle waren in Paris, und hat-
ten an 60,000 Mann wieder versammelt und sich trefflich
auf der Höhe vor Paris verschanzt. Doch die Verbünde-
ten wollten den Einzug in die Stadt nicht abermals mit
vielem Blute erkaufen, sondern Wellington stellte sich ruhig
unweit der Anhöhe bin, während Fürst Blücher, durch eine
rasche Wendung sich nach der wehrlosen Abendseite der
Stadt versetzte. Vandamme (Siehe Seite 395) drang bei
Issy hervor, wurde aber blutig zurückgetrieben. Blücher
machte Anstalt die Stadt zu stürmen, und die Pariser über-
gaben deswegen am 7. Juli ihre Stadt zum zwcitenmale
den Verbündeten, welche die französischen Soldaten vorher
nach dem südlichen Frankreich hatten ziehen lassen.
Nicht so mild als' das erstemal wurde jetzt diese Stadt
behandelt, deren Treulosigkeit gegen ihren König und deren
Anhänglichkeit an dem Feinde der Menschheit so viel Blut-
vergießen veranlaßt hatte. Die Preußen fingen an, ihre
Gemälde, Bildsäülcn und andere Kunstwerke, welche die
Franzosen aus ihren Lande geraubt hatten, in Paris weg-
zunehmen ; die andern Völker des Bundes folgten bald
nach. Ganz Frankreich wurde wieder voll der fremden
Gäste, welche zum Theil auf mehrere Jahre dazubleiben er-
klärten, damit nicht wieder von Neuem Unruhen cntstän-
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden]]
TM Hauptwörter (200): [T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T21: [Napoleon Bluch Heer General Preußen Franzose Schlacht Armee Mann Wellington], T9: [Frieden Napoleon Krieg Kaiser Frankreich Friede Preußen Rußland Jahr Franz], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk]]
Extrahierte Personennamen: Helena Napoleon Ludwig Ludwig Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Paris Paris Wien Paris Paris Amerika Paris Paris Wellington Frankreich Paris Frankreich